Shorty 7 – zu Ewald Palmetshofers "faust hat hunger und verschluckt sich an einer grete"
Faustische Frauen
von Christian Rakow
2. Mai 2010. "Der Mensch ist ein Rückkehrer", heißt es in Ewald Palmetshofers faust hat hunger und verschluckt sich an einer grete. Und wie wahr, fast die gesamte Mannschaft des Wiener Schauspielhauses hat man schon vor zwei Jahren hier erlebt, als sie – ebenfalls in der Regie von Felicitas Brucker – Palmetshofers furioses Mülheim-Debüt hamlet ist tot. keine schwerkraft ins Theater an der Ruhr brachte.
Der Shorty 6 – zu Dirk Lauckes "Für alle reicht es nicht"
Das Boot ist voll und der Acker brach
von Anne Peter
30. Mai 2010. In Dresden hingen Dirk Lauckes arme Träumer prekär in der Luft. Über der schrägen Sandfläche baumelten Jo und Anna in der Anfangsszene von "Für alle reicht es nicht" auf Schaukeln aus dem Schnürboden. Auf Wolkenkuckucksheimhöhe erzählten sie von ihren Traumverwirklichungsaktionen, die im Wesentlichen darin bestehen, in eher kleinem Maßstab Kippen über die deutsch-tschechische Grenze zu schmuggeln.
Der Shorty 5 – zu Dea Lohers "Diebe"
Abziehbilder der Wehklage
von Christian Rakow
28. Mai 2010. Ach, die Fremdsprachen: "Holländisch kann nicht so schwer sein." Denn "das klingt eher nach nem Dialekt. Oder nich. So ein ... wie Plattdeutsch." Herzhafte Lacher erfüllen den Saal. Recht so! Kurz vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft 2010 darf man Witzchen auf Kosten unserer lieben Nachbarn ruhig wieder auspacken. Dea Loher tut's und erwärmt damit unsere schwarzrotgoldenen Herzen.
Der Shorty 4 – zu Kathrin Rögglas "die beteiligten"
Aus dem Leben der Skandalparasiten
von Anne Peter
24. Mai 2010. Huhu, Medienkritik!, rufen die aufgehängten TV-Monitore, von denen gleich fünf Möchtegern-Augenzeugen herabtratschen werden. Sie bespiegeln, befragen, betätscheln, beraten, bewundern oder bedrängen verbal das anonyme Opfer eines Entführungsfalls, das nach langer Gefangenschaft den Weg zurück ins soziale Leben sucht. Und leider ist das soziale Leben in diesem Fall sogleich auch ein öffentliches, medial reflektiertes.
Der Shorty 3 – zu Nis-Momme Stockmanns "Kein Schiff wird kommen"
Allegorien aus dem Familienalbum
von Christian Rakow
20. Mai 2010. Szenenidee, im Halbschlaf geschöpft: "Heidegger und Hitler spielen zusammen mit Nietzsche Skat in der Hölle. War das schon mal?" Na, nicht ganz so. Bei Josef Hader in "Privat" gab's das mal ähnlich, mit Stalin und Reinhold Messner (!), der jeden Winkel der Welt erkunden will (und also auch die Hölle). Und Heiner Müller, der konnte diese Biggie-Zockereien natürlich prächtig. Da hätte dann Goebbels aus Riesenbrüsten der infernalen Skatrunde Natursekt eingeschenkt. Oder so ähnlich.
Der Shorty 2 oder ein Countdown in Shorties – zu Elfriede Jelineks "Die Kontrakte des Kaufmanns" (3. Teil)
Die Blase platzt
von Anne Peter
(...)
22:01 Uhr – noch 33 Seiten
Der zentrale Crash. Die Stahlstangen, die seit Beginn der Aufführung die schweren Metallbalken über der Szene tragen, krachen mit großem Getöse und einer gehörigen Portion Real-Gefahr für die dazwischen kauernden Schauspielern aus Schnürbodenhöhe auf den Bühnenboden. Ein Systemzusammenbruch, den man ob der fragilen Konstruktion längst hätte ahnen können. Der Wucht-Höhepunkt des Abends.
Der Shorty 2 oder ein Countdown in Shorties – zu Elfriede Jelineks "Die Kontrakte des Kaufmanns" (2. Teil)
Auf zum Bergfest
von Anne Peter
(...)
20:30 Uhr
Daniel Lommatzsch und Sebastian Rudolph schrammen mit einem sperrigen Flip-Chart zwischen Rückenlehnen und Zuschauerknien durch. Die Reihen lichten sich. Um 20:35 Uhr schaut Stemann (ungeduldig?) auf die Uhr, noch 62 Seiten liegen vor uns. Das ergibt bislang eine Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 0,39 Seiten pro Minute. Oder auch: 2,5 Minuten pro Seite.
Der Shorty 2 oder ein Countdown in Shorties – zu Elfriede Jelineks "Die Kontrakte des Kaufmanns"
Der Rest von uns ist Bank
von Anne Peter
19:00 Uhr – noch 99 Seiten
Mülheim, 18. Mai 2010. Nicolas Stemann stellt sein Team als eine "Eingreiftruppe" vor, erläutert die digitale Seiten-Runterzähl-Anzeige und schwört das Publikum ein: Es wird ein langer Abend, dreieinhalb bis vier Stunden ("Tendenz eher steigend"). Der Trost: Man kann zu jeder Zeit den Saal verlassen. Das Überraschende: In der ersten Stunde macht kaum jemand von dem Angebot Gebrauch, später gibt es Schlangen beim Catering. Speisen und Getränke können ausnahmsweise mit rein genommen werden. "Nur bitte auf die Polster aufpassen, aber das kennen Sie ja von zu Hause". Und hören kann man den Text bis in die Toiletten.
Mit Schmunzelfaktor
von Christian Rakow
15. Mai 2010. Ein alter Mann, wie sieht der aus? Gebückt, Po raus, auf einen Krückstoß gestützt, mit Tatterich. Oder eine junge asiatische Prostituierte? Dünnes Unterkleid, leicht x-beinig, scheues Augenklimpern. Und Zahnschmerzen, wie hören die sich an? Lautes Wehklagen und Wimmern "Oh Gott. Der Zahn, oh Gott". Fehlt nicht viel, dass auch noch ein gequengeltes "Maaaammmmi!" hinterher rutscht.