Doppelgänger
Samstag, 29. Mai 2010
Nachdem ich Festivalleiter Udo Balzer gestern einen Tag lang mit der Kamera begleitet hatte (Ergebnis demnächst als Ruhrpod), sagte er am Abend zu Gerhard Jörder: "Jetzt kann ich mir ein bisschen vorstellen, wie es den Leuten geht, die jeden Tag so eine Meute am Hals haben...".
Tja, dachte ich, da hab' ich mir wohl die richtige Seite ausgesucht, die Seite der Meute. Hier kann mir jedenfalls niemand lästig werden. Doch falsch: Bereits drei Stunden später musste ich selbst Fans, die nicht locker ließen, Autogramme geben. – Aber der Reihe nach.
Als Konkurrenzveranstaltung zum Publikumsgespräch zu Dea Lohers "Diebe" sang im Schloss gegenüber Max Mutzke mit Klaus Doldingers Band Passport – mal sehen, wie die so performen, reine Recherche. Mutzke hatte einen kurzen Gastauftritt für fünf Lieder.
Schon früher, als ich (und Mutzke) noch längere Haare hatten, sagte man mir eine Ähnlichkeit mit ihm nach. Ich wusste, dass es lediglich an den Geheimratsecken lag.
Nach dem Konzert konnte ich leider den Hof nicht überqueren. Drei, vier Frauen mittleren Alters stellten sich mir (mit ihren Männern) in den Weg und wollten ein Autogramm auf der Eintrittskarte.
"Ääh, haha, tja, ich wurde früher schon öfters verwechselt, sorry..."
Ungläubige Blicke.
Eine Frau zur andere: "Ich hab's dir doch gesagt, von wegen ich bin blind." Beide ab.
Die Verbliebenen: "Tsss, jetzt gehen die einfach, die glauben dir auch noch! Aber jetzt sag mal, war das wirklich 2004 beim Grand Prix?" – "Wir waren die ganze Zeit vorm Fernseher!" – "Ist Rauchen nicht schlecht für die Stimme?" – "Wie lang musstest du die Stimme denn trainieren?" – "Harte Arbeit, oder?"
Ich blicke in diese Augen, so froh (und wahrscheinlich glücklich ob der Bodenständigkeit Max Mutzkes), und auf einmal ist es zu spät. Ich kann nicht mehr zurück. Inzwischen würde es unangenehm werden, alles noch gewaltsam aufzuklären. Außerdem bringe ich es nicht übers Herz.
"Nee, rauchen macht die Stimme schön kratzig, ist gut." – "Ja, 2004, ist schon ein Weilchen her." – "Naja, man tut was man kann, ne?"
Auf die Karten wird eine Schlangenlinie gekritzelt, und ich muss schnell weg. Um die nächste Ecke, Mütze abnehmen, Jacke ausziehen. Vorsichtig inkognito auf die After-Show-Party zurückschleichen. Puh.
Später, geläutert und im sicheren Heim, muss ich sofort die Ähnlichkeit überprüfen. Damit Sie sich selbst ein Bild machen können: hier ein Foto vom Original und der Link zu seinem Doppelgänger.
Original:
und Doppelgänger
Matthias Weigel, 19:12 Uhr